BRANDENBURGISCHE KONZERTE – 301 Jahre jung!

Als JOHANN SEBASTIAN BACH am 24. März 1721 die Partitur seiner sogenannten „Brandenburgischen Konzerte“ unterzeichnete, konnte er vermutlich nicht ahnen, dass diese „Six Concerts avec plusieurs Instruments“ nicht nur eine der beliebtesten Sammlungen in der Musikgeschichte sein würde, sondern dass es von diesen Stücken zahllose Interpretationen auf Tonträgern veröffentlicht gibt. Der legendäre CONCENTUS MUSICUS WIEN war das erste Ensemble, das alle sechs Konzerte erstmals auf historischen Instrumenten aufgenommen hat. Und wir widmen unsere heutige Aufführung dem Andenken der wunderbaren ALICE HARNONCOURT (26.09.1930-20.07.2022), die mit ihrem Mann Nikolaus und eben dem Concentus Musicus Wien diese 6 Werke oft in Konzerten und mehrmals für die Schallplatte bzw. für die CD und für’s Fernsehen aufgenommen hat.

Live hingegen hört man die Stücke relativ selten, das liegt vor allem an der unterschiedlichen Besetzung. Jedes der sechs Werke verlangt eine andere Instrumentierung.

Betrachtet man die einzelnen sechs Werke, so gibt es  durchweg in jedem Concert ein Novum, man könnte fast sagen einen „Schocker“: Schon im zweiten Takt des 1. Konzerts halten die Hörner mit ihren Triolen munter gegen 16-tel und 8-tel des restlichen Orchesters, im 2. ist’s die oben beschriebene irrwitzige Instrumentenkombination, im 3. gibt es einen mittleren Satz, der nur aus zwei Akkorden besteht (was oder wer darf oder soll etwas improvisieren?), das 4. Concert ist im Prinzip durch die Behandlung der Sologeige ein Violinkonzert, aber die Flöten machen ihr eigenes Ding, dann aber wieder sind sie „nur“ Tutti-Verstärkung. Die grandiose Cembalokadenz in Nr. 5 hat dem Werk oft das Attribut des „ersten Klavierkonzertes“ der Musikgeschichte eingebracht und im 6. Concert verlangt Bach zweimal im Violone ein Sub-Kontra B – ein Ton, der auf einem Kontrabass nicht  drauf ist (es sei denn, man stimmt die tiefste Saite auf eben diesen Ton und erzeugt nur noch „heiße Luft“)…. will Bach, dass in den Takten 45 und 110 des letzten Sastzes der Spieler oder die Spielerin eben dort ein Residuum (oder auch Residualton genannt) erzeugt? Schock für alle – für die Ausführenden, für die Zuhörenden und die Musikwissenschaft, die sich bei diesen 6 Werken freundlich aus ihrem Schubladendenken verabschieden darf.

Wir möchten Ihnen gerne die Konzerte II, IV (in Bachs eigenener Bearbeitung als Cembalokonzert BWV 1057), V und VI  präsentieren. Und dies gleich zweimal hintereinander, weil die wunderschöne Marienkirche in Kahleby für die zu erwartende Zuhörerschar zu klein ist. Die Konzerte beginnen um 15:00 und 17:30 Uhr

Das CONCERTINO SCHLESWIG-HOLSTEIN (auf Originalinstrumenten) spielt in der erweiterten Besetzung von Justin Bland – Trompete und Blockflöte , Thomas Rink – Blockflöte und Kontrafagott, Andreas Plückthun – Traversflöte, Hanno Nachtsheim – Oboe,  Britta Gemmeker und Manoel Reinecke – Violine und Viola,  Martina Nachtsheim, Cornelia Kempf und Mareike Horn, Violine, Susanne Horn und Thomas Petersen-Anraad – Viola da Gamba und Violone,  Andreas Vetter – Violoncello und Peter Uehling – Cembalo

Die beiden Konzerte werden unterstützt u.a. von der KULTURSTIFTUNG DES KREISES SCHLESWIG-FLENSBURG, dem SPENDENPARLAMENT SCHLESWIG-HOLSTEIN, der GEMEINDE BRODERSBY, der VR-BANK NORD

Christian Strehk schreibt zum „Geburtstag“ in den KIELER NACHRICHTEN vom 24.03.21, S. 21:

Genau vor 300 Jahren setzte ein gewisser Johann Sebastian Bach seine Unterschrift unter einen orchestralen Hit sondergleichen: Die sechs Brandenburgischen Konzerte waren und blieben ein Muster an Virtuosität, Kunstfertigkeit und hinreißender Affektivität. Wie da nach emotionaler Gestimmtheit die Mixtur der Instrumente gewechselt wird, bleibt atemberaubend – aber in Konzertveranstaltungen auch schwer zu realisieren. Außerdem ist der Anspruch an die Spieler enorm hoch. So gibt es in der Violinliteratur kaum schwierigere Passagen als den wahnwitzigen Trialog mit den beiden Blockflöten im vierten Concerto.

Noch immer sind nicht alle Geheimnisse der Partituren gelüftet. Der Barockfagottist und Musikwissenschaftler Thomas Rink hat Fragen und Innovationen zu den „Brandys“ gerade auf der Homepage der Gesellschaft für Alte Musik in Schleswig-Holstein zusammengetragen (www.gam-sh.de). Antworten kann man eigentlich sowieso nur konzertierend geben. Das Concertino Schleswig-Holstein will das „auf Originalinstrumenten“ zumindest mit den Teilen II, IV, V und VI versuchen: auf einer kleinen Tournee vom 24. bis 26. September in Elmshorn, Neumünster, Ahrensburg und Husum. Eine vielversprechende Geburtstagssause im dann hoffentlich coronabefreiten Norden … cst